Machtkampf in Belarus: EU-Parlament will Sanktionen

Minsk (dpa) – Im wochenlangen Machtkampf in Belarus (Weißrussland) spricht sich das Europaparlament für direkte Sanktionen gegen den Staatschef Alexander Lukaschenko aus. Dazu verabschiedeten die Parlamentarier am Donnerstag in Brüssel einen Entschließungsantrag.

Die Strafmaßnahmen sollen demnach gegen Verantwortliche der Wahlfälschung und der Unterdrückung friedlicher Proteste richten. Die EU bereitet derzeit Sanktionen vor. Unklar war aber, ob auch Lukaschenko auf dieser Liste stehen wird. Die EU-Parlamentarier erkannten zugleich indirekt die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja als vorübergehende Repräsentantin von Belarus an.

Die 38-Jährige war bei der Wahl am 9. August gegen Lukaschenko angetreten. Die Opposition hält sie für die wahre Siegerin. Doch der Präsidenten ließ sich 80,1 Prozent der Stimmen zusprechen und will im Herbst seine mittlerweile sechste Amtszeit antreten. Tichanowskaja war aus Belarus geflohen und hält sich nun im EU-Land Litauen auf.

Sie hatte den Koordinierungsrat der Zivilgesellschaft für einen friedlichen Machtwechsel initiiert. Fast alle führenden Mitglieder sind entweder in Haft oder im Ausland, weil Lukaschenko gegen das Gremium massiv vorgeht. Die EU-Parlamentarier beschlossen nun, den Koordinierungsrat als vorübergehende Vertretung des Volkes von Belarus anzusehen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte erst am Dienstag gesagt, Lukaschenko werde nicht als legitimer Präsident der früheren Sowjetrepublik anerkannt.

Kritik am EU-Parlament kam umgehend aus Minsk. Der Beschluss sei von «aggressiver Natur» und enthalte keine einzige konstruktive und ausgewogene These, teilte das Außenministerium mit.

Knapp sechs Wochen nach der Präsidentenwahl geht Lukaschenkos Apparat immer brutaler gegen Andersdenkende vor. Maskierte Uniformierte, die keine Erkennungszeichen tragen, nehmen täglich Bürger fest. Dutzende Anwälte veröffentlichten einen Videoclip, in dem sie die totale Willkür und das «kriminelle» Handeln der Behörden kritisierten.

Wegen der Gewalt an Demonstranten erstellt die Opposition nun eine «schwarze Liste» mit den Gehilfen des 66-Jährigen. Die Namen jener, die an Folter, illegalen Festnahmen und am Missbrauch von Gefangenen beteiligt seien, sollten auf eine Sanktionsliste, teilte Tichanowskaja in ihrem Exil in der EU mit.

Lukaschenko, der von seinen Kritikern auch als «letzter Diktator Europas» bezeichnet wird, sucht in der schwersten Krise seines Landes Rückendeckung im Nachbarland Russland. Kremlchef Wladimir Putin hatte ihm Truppen für den Ernstfall und einen Milliardenkredit versprochen.

Um die angeschlagene Wirtschaft zu stabilisieren, hat Polen einen europäischen Marshall-Plan für Belarus ins Gespräch gebracht. Er sehe die Einrichtung eines Stabilisierungsfonds vor, der mindestens eine Milliarde Euro umfassen sollte, sagte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bei einem Besuch in Litauen.

Russland warnt den Westen seit langem vor einer Einmischung in den Konflikt – bezieht gleichzeitig aber Stellung für Lukaschenko und lehnt Gespräche mit der Opposition ab. Das Außenministerium in Moskau stellte am Donnerstag nach einem Telefonat von Vize-Außenminister Andrej Rudenko mit dem US-Botschafter in Russland, John Sullivan, klar, es handele sich in Belarus um eine interne Angelegenheit.

Die EU beklagte unterdessen, dass es etwa in Belarus eine sehr aktive Desinformationspolitik gebe. Vor allem der russische Staatssender RT (früher Russia Today) spiele eine tragende Rolle, hieß es aus den EU-Kreisen weiter. Besorgniserregend sei zudem das massive Vorgehen gegen Journalisten. Allein im August seien 150 Journalisten in Belarus festgenommen worden. Mehreren Reportern, auch von ausländischen Medien, sei die Akkreditierung entzogen worden.

Indes bereitet sich Belarus auf ein neues großes Protestwochenende vor. An diesem Samstag haben Frauen in Minsk trotz der Gewalt durch Sicherheitskräfte vorige Woche einen weiteren Marsch gegen Lukaschenko angekündigt. Zum sechsten Mal hintereinander wird es dann am Sonntag in der Hauptstadt Minsk und anderen Städten Massenproteste gegen «Europas letzten Diktator», wie Lukaschenko von der Demokratiebewegung genannt wird, geben. Es sind die größten Proteste in der Geschichte des Landes.

© dpa-infocom, dpa:200917-99-604234/2

Die Töne aus Brüssel gegen Staatschef Lukaschenko in Belarus werden schärfer. Nun fordert das EU-Parlament Sanktionen auch gegen den Langzeitpräsidenten. Auch Russland gerät ins Visier. Read More Feedzy

Minsk (dpa) – Im wochenlangen Machtkampf in Belarus (Weißrussland) spricht sich das Europaparlament für direkte Sanktionen gegen den Staatschef Alexander Lukaschenko aus. Dazu verabschiedeten die Parlamentarier am Donnerstag in Brüssel einen Entschließungsantrag.

Die Strafmaßnahmen sollen demnach gegen Verantwortliche der Wahlfälschung und der Unterdrückung friedlicher Proteste richten. Die EU bereitet derzeit Sanktionen vor. Unklar war aber, ob auch Lukaschenko auf dieser Liste stehen wird. Die EU-Parlamentarier erkannten zugleich indirekt die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja als vorübergehende Repräsentantin von Belarus an.

Die 38-Jährige war bei der Wahl am 9. August gegen Lukaschenko angetreten. Die Opposition hält sie für die wahre Siegerin. Doch der Präsidenten ließ sich 80,1 Prozent der Stimmen zusprechen und will im Herbst seine mittlerweile sechste Amtszeit antreten. Tichanowskaja war aus Belarus geflohen und hält sich nun im EU-Land Litauen auf.

Sie hatte den Koordinierungsrat der Zivilgesellschaft für einen friedlichen Machtwechsel initiiert. Fast alle führenden Mitglieder sind entweder in Haft oder im Ausland, weil Lukaschenko gegen das Gremium massiv vorgeht. Die EU-Parlamentarier beschlossen nun, den Koordinierungsrat als vorübergehende Vertretung des Volkes von Belarus anzusehen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte erst am Dienstag gesagt, Lukaschenko werde nicht als legitimer Präsident der früheren Sowjetrepublik anerkannt.

Kritik am EU-Parlament kam umgehend aus Minsk. Der Beschluss sei von «aggressiver Natur» und enthalte keine einzige konstruktive und ausgewogene These, teilte das Außenministerium mit.

Knapp sechs Wochen nach der Präsidentenwahl geht Lukaschenkos Apparat immer brutaler gegen Andersdenkende vor. Maskierte Uniformierte, die keine Erkennungszeichen tragen, nehmen täglich Bürger fest. Dutzende Anwälte veröffentlichten einen Videoclip, in dem sie die totale Willkür und das «kriminelle» Handeln der Behörden kritisierten.

Wegen der Gewalt an Demonstranten erstellt die Opposition nun eine «schwarze Liste» mit den Gehilfen des 66-Jährigen. Die Namen jener, die an Folter, illegalen Festnahmen und am Missbrauch von Gefangenen beteiligt seien, sollten auf eine Sanktionsliste, teilte Tichanowskaja in ihrem Exil in der EU mit.

Lukaschenko, der von seinen Kritikern auch als «letzter Diktator Europas» bezeichnet wird, sucht in der schwersten Krise seines Landes Rückendeckung im Nachbarland Russland. Kremlchef Wladimir Putin hatte ihm Truppen für den Ernstfall und einen Milliardenkredit versprochen.

Um die angeschlagene Wirtschaft zu stabilisieren, hat Polen einen europäischen Marshall-Plan für Belarus ins Gespräch gebracht. Er sehe die Einrichtung eines Stabilisierungsfonds vor, der mindestens eine Milliarde Euro umfassen sollte, sagte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bei einem Besuch in Litauen.

Russland warnt den Westen seit langem vor einer Einmischung in den Konflikt – bezieht gleichzeitig aber Stellung für Lukaschenko und lehnt Gespräche mit der Opposition ab. Das Außenministerium in Moskau stellte am Donnerstag nach einem Telefonat von Vize-Außenminister Andrej Rudenko mit dem US-Botschafter in Russland, John Sullivan, klar, es handele sich in Belarus um eine interne Angelegenheit.

Die EU beklagte unterdessen, dass es etwa in Belarus eine sehr aktive Desinformationspolitik gebe. Vor allem der russische Staatssender RT (früher Russia Today) spiele eine tragende Rolle, hieß es aus den EU-Kreisen weiter. Besorgniserregend sei zudem das massive Vorgehen gegen Journalisten. Allein im August seien 150 Journalisten in Belarus festgenommen worden. Mehreren Reportern, auch von ausländischen Medien, sei die Akkreditierung entzogen worden.

Indes bereitet sich Belarus auf ein neues großes Protestwochenende vor. An diesem Samstag haben Frauen in Minsk trotz der Gewalt durch Sicherheitskräfte vorige Woche einen weiteren Marsch gegen Lukaschenko angekündigt. Zum sechsten Mal hintereinander wird es dann am Sonntag in der Hauptstadt Minsk und anderen Städten Massenproteste gegen «Europas letzten Diktator», wie Lukaschenko von der Demokratiebewegung genannt wird, geben. Es sind die größten Proteste in der Geschichte des Landes.

© dpa-infocom, dpa:200917-99-604234/2

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